Preview aus dem Homeoffice: Sibylla

Was heute kaum mehr jemand weiß: Die jüngste Tochter des Greifswalder Bürgermeisters Christian Schwarz war eine der wenigen bedeutenden deutschen Barocklyrikerinnen – eigentlich ein Paradoxon, denn im 17. Jahrhundert galten Frauen recht wenig, hatten kaum Zugang zu Bildung und verfassten erst recht keine Lyrik.
Anders Sibylla Schwarz. Die hochbegabte junge Frau begann Im Alter von zehn Jahren Gedichte zu schreiben, in denen sich wesentliche Zeitereignisse wie dreißigjähriger Krieg, Vertreibung und Exil spiegeln. Bedeutsam sind vor allem ihre Liebessonette, die sie in humorvollem Ton verfasste, und die offenen und vielschichtigen Andeutungen zu Geschlechterrollen.
Mit ihrem Langgedicht Ein Gesang wider den Neid verfasste sie gar das erste feministische Gedicht der Weltliteratur: Ihr Protestgesang wendet sich gegen die männlich herablassende Haltung gegenüber dichtenden Frauen.
Viele ihrer Gedichte richten sich an eine weibliche Geliebte. Dass aber eine Frau auf diese Weise zu einer Frau spricht, ist damals unvorstellbar, und in der Lyrikgeschichte wird die lesbische Deutbarkeit ignoriert: Stets unterstellt man Sibylla Schwarz, sie wende sich aus einer männlichen Perspektive an eine Geliebte.
Allerdings müssen wir uns noch ein wenig gedulden: „Sibylla” soll 2021 zum 400. Geburtstag von Sibylla Schwarz erscheinen.